Warum Raumakustik so wichtig ist

Organisation und Gestaltung

Schaut man sich den weitreichenden Aufgabenkatalog der Schulleitung an, so könnte man überspitzt sagen: Sie ist verantwortlich für alles, was innerhalb des Schulgebäudes passiert. Dass das Gebäude bzw. die Räume selber dies massiv beeinflussen, wird am Beispiel der Raumakustik sehr schnell deutlich.

Raumakustik im Klassenzimmer.
Raumakustik im Klassenzimmer. © Albert-Schweitzer-Schule Homburg
Thema Organisation & Gestaltung Autor/in Gerhart Tiesler und Holger Brokmann Veröffentlicht 25.02.2020

Die im Mai 2018 veröffentlichte technische Regel für Arbeitsstätten ASR A3.7 „Lärm“ beschreibt eindrücklich, dass die Raumakustik einen direkten Einfluss auf die Lärmbelastung am Arbeitsplatz haben kann und welche Mindestanforderungen erfüllt sein müssen. Dies ist vor allem im Rahmen einer individuellen Gefährdungsbeurteilung wichtig zu beachten. In diesem Regelwerk wird explizit auf Arbeitsplätze der „Tätigkeitskategorie I – hohe Konzentration oder hohe Sprachverständlichkeit“ hingewiesen und deren besonderen raumakustischen Anforderungen (https://bit.ly/2knHJxn).

Pädagogische Arbeit

Die Wirkungsforschung der letzten Jahre zeigt, welchen Einfluss die Raumakustik auf das Sozialverhalten, Konzentrationsfähigkeit und Arbeitsverhalten von Schülern hat und wie sich dies auf den Arbeitsgeräuschpegel bei unterschiedlichen akustischen Ausstattungen und Lernformen auswirkt. So sind unter schlechten akustischen Bedingungen bestimmte offene Lernformen, die in der Pädagogik zunehmend mehr an Bedeutung gewinnen, nahezu unmöglich durchzuführen (vgl. Oberdörster & Tiesler 2006).

Gutes Hören für alle

Wie eng das Thema Inklusion mit der Raumakustik verknüpft ist, wird seit der Überarbeitung der „Raumakustiknorm“ DIN18041 im März 2016 deutlich. Raumakustische Vorgaben bei Neubauten und Sanierungen werden unter der Raumgruppe A4 „Unterricht/Kommunikation inklusiv“ beschrieben. Für viele erstaunlich ist, dass hier nicht ausschließlich auf die verbesserte Hörsamkeit für hörgeschädigten Personen abgezielt wird, sondern auch auf Personen, die nicht in der Muttersprache kommunizieren. Dies sind nicht nur Schüler, die Deutsch nicht als Muttersprache sprechen, sondern auch alle, die eine Fremdsprache lernen (DIN18041:2016-03 Hörsamkeit in Räumen; 2016).

Was kann man nun tun?

Häufig wird eine schlechte Raumakustik gar nicht erkannt – vor allem, weil ein Vergleich fehlt, wie es sein könnte und müsste. Was kann man aber unternehmen, wenn die Probleme sich deutlich zeigen und Beschwerden vorliegen? Einen möglichen Ansatz bietet das sogenannte „STOP Prinzip“, welches im Arbeitsschutz zum Einsatz kommt (DGUV Information 211-042; 2017):

S – Substitution (Gefahrenquelle entfernen),

T – Technik (technische Maßnahmen ergreifen);

O – Organisation (Arbeitsabläufe so organisieren, dass keine Gefahr entstehen kann);

P – Person (individuelle Sicherheitsausstattung).

Substitution

ist im Fall von Lärm und Schule nicht sinnvoll umsetzbar, wenn die Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte die Schallquelle (Gefahrenquelle) darstellen. Lediglich das Eindringen von Lärm von außerhalb des Gebäudes, z. B. Verkehrslärm, kann verhindert werden,

Technische Maßnahmen (Raumakustik)

sollten bei Neubauten und Sanierungen aufgrund der allgemein anerkannten Regel der Technik (DIN18041) berücksichtigt werden. Eine raumakustische Lösung, etwa für Klassenzimmer, ist relativ einfach umsetzbar:

  • Höchstabsorbierende voll­flächige Akustikdecke.
  • Bei spärlicher Möblierung zusätzliche höchstabsorbierende Wandabsorber.
  • Im Idealfall ein textiler Fußbodenbelag zur Minimierung der Störgeräuschentstehung.
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Um erfolgreich und konzentriert lernen zu können, brauchen Schülerinnen und Schüler eine angenehme Lernumgebung.

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Hierbei zu beachten ist, dass es raumakustische Anforderungen z. B. auch für Flure, Speiseräume, Konferenzräume, Bibliotheken und vor allem Sport- und Schwimmhallen gibt. Also sollte immer die Frage gestellt werden, welche Funktion ein Raum hat.

Organisatorische Maßnahmen

stehen in der Wirksamkeit den technischen Lösungen zwar nach, sollten aber nicht unterschätzt werden. Wenn z.B. das Thema Lärm, seine Ursachen und Auswirkungen, im Unterricht thematisiert wird und ein von allen Lernenden und Lehrern befolgtes einheitliches Verhaltenskonzept zum Schulkonzept gehören, können deutlich verbesserte Lehr- und Lernbedingungen geschaffen werden. Ein solches Konzept führt aber nur zum Erfolg, wenn es von allen gleichermaßen umgesetzt wird.

Personelle Schutzmaßnahmen

im Bereich Lärm sind bekannt: Individueller Gehörschutz ist hier die Lösung. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass im Sinne des Arbeitsschutzes bei einer Gefahr die persönlichen Schutzmaßnahmen immer den letzten Schritt darstellen, wenn alle anderen Maßnahmen nicht zu dem entsprechendem Erfolg geführt haben. Außerdem ist die Verwendung von Gehörschutz in Arbeitssituationen, die auf Kommunikation basieren, kontraproduktiv.

„Prophylaktische Maßnahmen“

Stehen bauliche Maßnahmen von Räumen an, sollte in jedem Fall die Raumakustik berücksichtigt werden. Dies gilt für alle Räume und sollte explizit gefordert werden.

Fazit

Lärm erzeugt Stressreaktionen, wie z.B. Ermüdung, Konzentrationsverlust, Störungen der Kommunikation und damit auch Störungen des pädagogischen Prozesses. Die Optimierung der Raumakustik trägt somit zur deutlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei. So wird nachweislich das Sozialverhalten verbessert, die Ermüdung reduziert, Lernprozesse störungsfreier. Eine positive Auswirkung auf den Lehr-Lern-Erfolg kann man unschwer daraus ableiten.


Literatur

DGUV Information 211-042; 2017, online: https://publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/211-042.pdf

Oberdörster, M. & Tiesler, G. (2006): Akustische Ergonomie der Schule. Dortmung, Berlin, Dresden. Online: baua.de

Die Autoren

Dr. Gerhart Tiesler ist Leiter des Instituts für interdisziplinäre Schulforschung ISF Bremen; ISF-Bremen.de

Holger Brokmann ist Geschäftsführer des Vereins Lernen statt Lärmen e.V. Der Verein besteht aus einer Gruppe von engagierten Fachleuten aus Forschung und Wirtschaft, Lehrern, Fachkräften für Arbeitssicherheit und Interessierten, welche die baulichen Rahmenbedingungen des Lernens in unseren Bildungseinrichtungen verbessern möchten. lernen-statt-laermen.de

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